Ein Bugatti für Damiano

Ascona, 12. Juli 2009: pünktlich, wie eine Schweizer Uhr, um 10.30 Uhr wird der vor über 70 Jahren versunkene Bugatti Brescia 1925 aus dem Lago Maggiore vor Ascona gehoben. Mehr als 2000 Leute sind gekommen, um an diesem historischen Ereignis teilzunehmen. Beim Anblick des Wracks ertönt grosser Beifall und sogar Freudentränen fliessen. Für die Bevölkerung von Ascona ist eine Legende Realität geworden. Nur wenige Stunden später ist die Nachricht der Bergung des Bugatti in diversen Medien und auf dem Internet nachzulesen. Das Interesse ist sehr gross und wir, die Bergungsequippe, werden von einer ganzen Menge Fragen überflutet. Nur wenige Leute wissen, wie die Geschichte dieser spannenden Bergung begonnen hat.

Alles fängt mit einer kleinen Gruppe von Freunden vom verstorbenen Damiano Tamagni sowie dessen Familie an. Wir alle teilen die Leidenschaft des Tauchsports. Unser Freund, Damiano 22-jährig, wurde am 1. Februar 2008 während der Fastnacht in Locarno von drei Jugendlichen grundlos und brutal zusammengeschlagen. Nach kurzer Zeit ist er seinen schweren Verletzungen erlegen. Damianos Eltern haben daraufhin eine Stiftung zur Bekämpfung von Jugendgewalt ins Leben gerufen. Wir wollten eine ungewöhnliche und symbolische Aktion für Damiano und die Stiftung machen, das war für uns sehr wichtig. Sofort dachten wir an die berühmte Legende von Ascona: das Wrack des Bugatti im Lago Maggiore.

Seit langer Zeit sind viele Erzählungen und Vermutungen über das versunkene Auto im Lago Maggiore vor Ascona im Umlauf, doch niemand konnte erklären, was genau passiert war. So blieb das Geheimnis. Deshalb sind das Interesse und die Neugierde gewachsen. Es gab nur eine Gewissheit: im Golf von Ascona, in grosser Tiefe, lag das Wrack eines alten Autos. Ugo Pillon, ein Taucher vom Centro Sport Subacquei Salvataggio Ascona, hatte es erstmals am 18. August 1967 entdeckt. Nach mehreren Tauchgängen fand er in einer Tiefe von 52 Meter etwas, das an einen Bugatti erinnerte. Nachdem die Taucher der Region die Nachricht erfuhren, wurde dieses Wrack regelmäßig besucht. Einige haben versucht, jedoch ohne Erfolg, das Relikt zu bergen. Man hat auch kleine Souvenirs mitgenommen: man weiß, dass ein Rad aus dem Wasser kam, niemand weiss aber, wo es sich jetzt befindet. Ist es wirklich ein Bugatti? Und wenn ja, welches Modell? Die Wahrheit herauszufinden war das Ziel der Freunde von Damiano, angeführt von Jens Boerlin, Firma Boerlin Lavori Subacquei und der Rettungsgesellschaft Centro Sport Subacquei Salvataggio Ascona.

Am 28. November 2008, während einer Pressekonferenz, haben wir also den Beginn der Aktion “Ein Bugatti für Damiano” angekündigt.

Fast dreißig Personen haben freiwillig für diese Bergung gearbeitet. Es war eine aufregende Aktion, die aber viel Aufwand verlangt hat. Dieses sehr komplexe Projekt hat eine Tauchbasis an der Oberfläche mit allen Geräten und die Arbeit mehrerer Taucher erfordert. Für die Bergung hatten wir eine Zeitdauer von drei Monaten kalkuliert, am Ende waren es 9 Monate. Während des Winters haben viele unvorhergesehene Umstände unsere Arbeit verzögert. Das Schlimmste kam am Weichnachtsabend mit dem Untergang des Schiffes “Ippocampo”, unserer Arbeitsbasis an der Oberfläche. Das Boot versank und landete nur ein paar Meter neben dem Bugatti, zum Glück ohne ihn zu beschädigen. Das schlechte Wetter war unser Hauptproblem. Ein sehr starker Wind und unregelmäßige Wellen hatten diesen Unfall verursacht. Dazu kamen noch die vielen Schneefälle, die Kälte und die schlechte Sicht unter Wasser wegen des vielen Regens. Trotzdem verlor niemand den Mut und die Arbeit ging weiter.

Wir mussten in einer gefährlichen Tiefe von 52 Meter arbeiten. Alles wurde bis ins kleinste Detail geplant und organisiert. Wir haben eine spezielle Genehmigung von den Behörden bekommen und eine Sicherheitsplanung vorbereitet. Alle Tauchgänge wurden nur von patentierten und sehr erfahrenen Tauchern mit entsprechendem hochwertigem Material durchgeführt. Während den Bergungsarbeiten haben wir anhand von Unterwasserfilmen und Fotographien erfahren, dass der Bugatti in der Bucht von Ascona nicht nur eine Legende war. Das versenkte Auto ist wirklich ein Bugatti Brescia. Nach der Bergung hat Hans Matti, ein sehr bekannter Experte dieser Automarke, mit den Abklärungen der technischen Details begonnen. Das Ergebnis: es handelt sich um einen Bugatti Brescia 1925 Typ 22. Dank der Chassisnummer konnten wir auch die erste Immatrikulierung herausfinden: 11. April 1925 in Nancy, Frankreich. Nach viel Arbeit und Geduld ist der Traum jetzt Wirklichkeit geworden. Seit Sonntag dem 12. Juli 2009 hat die Anzahl der Bugatti in der Schweiz und in der ganzen Welt um eine Legende zugenommen!

Der Bugatti befindet sich jetzt an einem geheimen Ort, wo er speziellen Konservierungsbehandlungen unterzogen wird. Viele Experten arbeiten mit uns zusammen, um die genaue Vergangenheit des Fahrzeuges abzuklären.

Die Arbeitsgruppe der Aktion “Ein Bugatti für Damiano” – zusammengesetzt aus: Jens Boerlin, Francesca Lappe, Flavio Luzzi, Stefano Mattei, Federica Mauri, Nicola Sussigan und Pasqualino Trotta – nutzt diese Gelegenheit, um allen zu danken, die ihre Hilfe freiwillig angeboten haben, um diesen Traum zu verwirklichen.

Ein herzlicher Dank geht besonders an:
Sub Gambarogno, für das Boot “Ippocampo”; Bugatti Club Schweiz, für die Hilfe, die Kontakte mit Experten und für die Website; Giacomo Pegurri, Archäologisches Institut des Kantons Zug, für seine Mithilfe und Information betreffend der Konservierung des Autos; Municipio di Ascona, für die Benutzung der öffentlichen Räume und für die Hilfe; Associazione Manifestazioni Ascona, für die Vorbereitung des Festes am 12. Juli 2009; Gruppo Ristoranti Fred Feldpausch SA, Locarno, für den Aperitif am 11. und 12. Juli 2009; Vini Cesare Valsangiacomo, Mendrisio, für den Aperitif am 12. Juli 2009; Panetteria-Pasticceria Pinotti, Ascona, für den Aperitif am 12. Juli 2009; Assicurazione La Mobiliare, für die Versicherung während der Arbeiten; Ditta Lucchessa SA, Riazzino, für den Transport der Plattform und der Maschinen; Ditta Sabesa SA, Gordola, für den großen Kran für die Bergung des Bugatti; Trasporto veicoli Falcontrans, Riazzino, für den Transport des Bugatti; Ditta Franco Bologna, Locarno, für das Depotbassin; Ditta Pincopalloncino, Locarno, für die Dekoration des Platzes am 12. Juli 2009; Roberto Dörfliger, Ascona, für den Boottransport und für die Benutzung der Landungsbrücke.